Eine kanadische Studie zum sogenannten „Gendereffekt“ zeigt: Frauen erleiden nach Eingriffen häufiger Komplikationen, wenn sie von Männern operiert werden. Umgekehrt zeigt sich dieser Effekt nicht.
Dass Frauen in der Medizin lange Zeit vernachlässigt wurden, ist nichts Neues. Blutdrucksenker, Grippeimpfung und Co. – zahlreiche Medikamente, Diagnostik-Verfahren und Therapien werden seit jeher auf den männlichen Körper zugeschnitten. Männliche und weibliche Körper funktionieren jedoch vollkommen anders: „Frauen sind kleiner, haben einen anderen Stoffwechsel, sie haben unter anderem eine andere Verteilung des Körperfetts, einen anderen Hormonhaushalt und eine andere Muskelmasse als Männer“, erklärte Christiane Groß, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapie und Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen. Vor allem die hormonellen Unterschiede zwischen Mann und Frau können die Wirkung von Medikamenten laut Expert:innen enorm beeinflussen.
Frauen und Herzinfarkte
Die Statistik zeigt: Frauen sterben häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Männer – trotzdem werden ihre Symptome seltener ernst genommen. Mehrere Untersuchungen zeigen, dass Männer und Frauen im Falle eines Herzinfarkts vollkommen unterschiedlich behandelt werden. Bricht ein Mann auf der Straße zusammen, geht man als Passant:in demnach schnell von einem möglichen Herzinfarkt aus und handsrelt dementsprechend. Bei Frauen hingegen denkt man eher an ein Kreislaufproblem und es werden erstmal die Füße hochgelagert. Folglich werden Frauen mit Herzinfarkt-Symptomen seltener reanimiert und später medizinisch angemessen versorgt, bestätigt auch Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien im Interview mit dem Standard.
Auch im OP: „Gendereffekt“ birgt Gefahren
Doch nicht nur bei Diagnostik, Medikamenten und Therapien kann man geschlechtsspezifische Unterschiede beobachten. Eine aktuelle kanadische Studie zeigt nun: Frauen, die von männlichen Chirurgen operiert werden, haben ein 15 Prozent höheres Risiko für post-operative Komplikationen als Frauen, die von Chirurginnen operiert werden. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Behandlungsdaten von 1.320.108 erwachsenen Patient:innen in verschiedenen chirurgischen Fachrichtungen (Chirurgie, Orthopädie, Plastische Chirurgie, Viszeralchirurgie) untersucht.
Die Studie zeigt deutlich: Geschlechterunterschiede zwischen den operierenden Chirurg:innen und den Patient:innen führen zu mehr Komplikationen nach der OP. Auch die Sterberate war hierbei erhöht. Am deutlichsten fiel dieser negative Effekt aus, wenn männliche Chirurgen weibliche Patientinnen operierten. „Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die Geschlechterfrage in der ‘Männerdomäne Chirurgie’ (…) In Deutschland liegt der Frauenanteil in der Chirurgie noch immer bei unter einem Viertel”, schreibt etwa die deutsche Fachgesellschaft, die in den Medien stark auf die kanadische Studie aufmerksam macht. Ein möglicher Lösungsansatz, um das Dilemma in Kanada zu lösen wären gemischte Chirurg:innen-Teams, allerdings ist der Frauenanteil in der Chirurgie relativ niedrig.
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