Low Carb, ist eine Diätform, bei der man Energie Großteils aus Fetten anstatt aus Kohlenhydraten bezieht und die sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit erfreut. Doch nun kam eine aktuelle Studie zu dem Schluss, dass das kardiovaskuläre dadurch Risiko verdoppelt wird und es zu einem LDL-Anstieg kommen kann – es gibt aber bereits auch Gegenmeinungen aus der Forschung.
Die Studienleiterin Dr. Iulia Iatan von der University of British Columbia meint hierzu, dass diese ihres Wissens nach die erste Studie sei, die einen Zusammenhang zwischen einer kohlenhydratarmen Kost und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko nachweist.
Die Studie war im Zuge der Wissenschaftlichen Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) in Verbindung mit dem World Congress of Cardiology (WCC) am 5. März 2023 in New Orleans vorgestellt worden.
Lipidexperte warnt davor, voreilig Schlüsse zu ziehen
Dr. Steven Nissen, Lipidexperte von der Cleveland Clinic in Ohio plädierte dafür, die Ergebnisse der Studie, die in Folge ihrer Präsentation große mediale Aufmerksamkeit erhielt, nicht unreflektiert zu betrachten. Er kam zu diesem Schluss, da der LDL-Anstieg in der „Keto“-Gruppe relativ gering war und meinte weiter, dass dieses sicherlich nicht ausreiche, um eine Verdoppelung des kardiovaskulären Risikos zu bewirken.
Unterschiedliche Voraussetzungen bei Studienteilnehmer:innen
Jene Studienteilnehmer:innen, die einer ketogenen Diät folgten, hatten mehr Gewicht und hatten häufiger Diabetes. Sie hätten also ein vollkommen anderes Risikoprofil als jene Studienteilnehmer:innen, die eine Standardkost einnahmen. Nissen meinte dazu: „Auch wenn die Forschenden versucht haben, andere kardiovaskuläre Risikofaktoren zu berücksichtigen, gibt es in einer Studie wie dieser unbestimmte Störfaktoren.“
Nissen geht demnach nicht davon aus, dass diese Studie „irgendwelche wichtigen Fragen so beantwortet, wie wir das gerne hätten.“
Details zu den Kriterien der Studie
Im Zuge dieser Studie definierten Iatan und ihr Team eine kohlenhydratarme, fettreiche Ernährung als eine Kost, bei der maximal 25% der täglichen Gesamtenergie aus Kohlenhydraten und zumindest 45% aus Fetten bezogen werden. Allerdings sind diese Mengen etwas kohlenhydratreicher und fettärmer als eine streng ketogene Diät, könnten aber als ketogen-artige Diät eingestuft werden.
Die UK-Biobank, eine groß angelegte prospektive Datenbank beinhaltet Gesundheitsinformationen von über einer halben Million Briten, die mindestens 10 Jahre lang beobachtet wurden. Bei der Aufnahme ihrer Daten in die UK-Biobank füllten die Teilnehmenden einmalig einen 24-Stunden-Fragebogen zu ihren Ernährungsgewohnheiten aus und ließen sich Blut zur Bestimmung des Cholesterinspiegels abnehmen. In der UK-Biobank enthaltene Gesundheitsdaten wurden nun im Zuge dieser Studie analysiert. Die Antworten von 305 Personen deuteten laut den Forschenden auf eine kohlenhydratarme und fettreiche Kost hin.
Jene identifizierten Personen wurden anschließend nach Alter und Geschlecht mit 1.220 Personen verglichen, die sich eigenen Angaben zufolge normal ernährten. 73% der Studienteilnehmer:innen waren weiblich und das Durchschnittsalter betrug 54 Jahre. Diejenigen, die sich kohlenhydratarm und fettreich ernährten, hatten im Mittel einen höheren Body-Mass-Index (BMI; 27,7 gegenüber 26,7) und eine höhere Diabetesinzidenz (4,9 gegenüber 1,7%).
Die Ergebnisse wiesen für die Gruppe der ketogen-artigen Diät im Vergleich zur Standardkostgruppe signifikant höhere LDL-Spiegel und Werte für Apolipoprotein-B (ApoB) auf. Allerdings wurde nicht beachtet, dass der BMI als medizinisch veraltet gilt – unter anderem, weil er nur das Körpergewicht, nicht aber die Körperzusammensetzung, also z.B. die Muskelmasse oder auch die körperliche Aktivität berücksichtigt.
Die Folgen
Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit betrug 11,8 Jahre. Während es bei 4,3% in der Normalkostgruppe zu einem der folgenden Ereignisse kam, waren es bei Personen mit kohlenhydratarmer und fettreicher Kost 9,8%: Angina pectoris, Myokardinfarkt, koronare Herzkrankheit, ischämischer Schlaganfall, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder koronare/Karotis-Revaskularisierung.
Später fanden Adjustierungen an andere Risikofaktoren für Herzerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und Rauchen statt. Danach wurde festgestellt, dass Personen, die sich kohlenhydratarm und fettreich ernährten, ein doppelt so hohes Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis hatten (Hazard Ratio [HR] 2,18; p < 0,001).
Forderung nach engerem Monitoring
Der Hauptautor der Studie, Dr. Liam Brunham zeigte sich besorgt: „Unsere Ergebnisse zeigen wohl erstmalig, dass ein Zusammenhang zwischen dieser immer beliebter werdenden Kostform und einem hohen LDL-Cholesterinspiegel sowie einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse besteht. Dies ist besorgniserregend, da sich viele Menschen so ernähren, und ich glaube, dass diese Menschen ein engeres Monitoring benötigen.“
Zwar sei laut Brunham bei einer fettreichen Kost ein Anstieg des Cholesterinspiegels zu erwarten – das heiße aber nicht, dass man diese Veränderungen auf die leichte Schulter nehmen solle, sondern dass sie sehr wohl ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bergen könnten.
Low Carb bei Diabetes?
Brunham betonte allerdings, dass diese Kostform nicht grundsätzlich ungesund sein müsse. So könne sie etwa manchen Menschen mit Diabetes helfen, den Blutzucker zu senken. Andere Menschen könnten mit ihr auch abnehmen. Jedoch zeigten die erhobenen Daten, dass es eine Untergruppe von Menschen gäbe, die dabei hohe LDL- und Apo-B-Werte entwickeln, die einer Risikoerhöhung zu entsprechen schienen.
Brunham empfiehlt – sollte man für sich eine ketogene Ernährungsform in Erwägung ziehen – den Cholesterinspiegel und kardiovaskuläre Risikofaktoren engmaschiger überwachen zu lassen, um bei möglichen Risiken schnellstmöglich eingreifen zu können.
Keine absoluten Aussagen
Bei der durchgeführten Studie handelt es sich um eine Beobachtungsstudie. Solche Studien werden auch als ‚hypothesengenerierend‘ bezeichnet. Sie führen zur Bildung von Hypothesen, beantworten aber keine Fragen. Daher solle man nicht voreilig Schlüsse ziehen, meint Nissen abschließend.